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Walter Pflugbeil

Ein Anliegen des 1908 gegründeten Schnitz-vereins „Glück Auf“ war, das bergmännische Brauchtum zu pflegen und das Schnitzen unter fachlicher Anleitung an die jüngere Generation weiterzugeben. In der Satzung stand: „Die Schnitzschule soll die hierorts bodenständige Bildschnitzerei im Erzgebirge methodisch lehren, um den künstlerischen Geschmack zu heben, Auge und Hand zu bilden, um diese Volkskunst lohnend zu gestalten“. Die Bestrebung des Vereins, eine Ausbildungsstätte für Kinder und Jugendliche zu betreiben, fruchtete anfänglich nicht. Erst 12 Jahre später wurde die „Städtische Schnitzschule zu Neustädtel“ eröffnet. Walter Pflugbeil gehört in der Geschichte des Schnitzvereins zu jenen Schnitzern, die der Nachwuchsförderung besondere Sorgfalt angedeihen ließen.

 

Geboren 1932, besuchte er die Volksschule und ab 1942 die Jungenklasse der Hauptschule mit Fremdsprachenunterricht in Schneeberg. Inspiriert vom Schnitzmesser des Bruders begannen die ersten Versuche im Schnitzen. Als Zehnjähriger besuchte er die Schnitzschule in Schneeberg, ab 1944 lernte er das Schnitzen in Neustädtel.

 

Zwei Jahre später absolvierte er seine Lehre als Industriekaufmann im Klöppelspitzengeschäft der Fa. Matthes in Schneeberg, wo er bis 1958 blieb. Anfang der 50er Jahre des 20. Jh. wurde er Mitglied der Schnitz- und Bastelgemeinschaft „Glück Auf“. Auf Anraten von Werner Kempf (1925 – 1999) entschloss er sich, der neugegründeten Produktionsgenossenschaft (PGH) „Schneeberger Volkskunst“ beizutreten. Bis 1977 entwickelte er im Team von Holzbildhauern und Gestaltern Neuheiten im Produktsortiment der PGH. 1978 wurde er als Holzbildhauermeister selbstständiger Handwerksmeister. Viele Jahre war er Lehrausbilder in der PGH „Schneeberger Volkskunst“.

 

Während dieser Zeit übernahm er auch die Nachwuchsförderung in der Schnitz- und Bastelgemeinschaft „Glück Auf“. Bis 1969 hatte Paul Nestler (1904 – 1970) die Schnitz-gruppe und den Kinderschnitzzirkel geleitet. Dies änderte sich 1970. Der Vorsitzende der Schnitz- und Bastelgemeinschaft wurde Max Härtel und dem Kinderschnitzzirkel stand seit dem 15. September Walter Pflugbeil vor. Um eine gute Nachwuchsförderung zu erreichen, war es notwendig Schnitzer zu schulen, sie in der Methodik und Didaktik des Kinderschnitzens auszubilden. Günter Preuß (1930 – 1996) erstellte die Lehrpläne für den Elementarlehrgang „Schnitzen“. Sein Mitarbeiter Walter Pflugbeil war z. T. für die praktische Umsetzung zuständig. Im April 2010 übernahm Walter Pflugbeil das Ganztagsangebot „Schnitzen“ an der Mittelschule Bergstadt Schneeberg. Insgesamt erlernen ca. 45 Kinder an zwei Nachmittagen in der Woche das Schnitzen. Charakteristisch für seinen Schnitzunterricht ist das Familiäre und Gesellige, das Verbindende ist die Begeisterung, die Liebe zum Schnitzen. In den ersten Schnitzstunden entstehen Bäume, ein Schneemann, Figuren und Pilze, die gruppiert kleine szenische Darstellungen ergeben.

 

Pflugbeil_mit_FIgur
Verleihung_silbernes_Herz
Preisverleihung
Pflugbeil_beim_unterrichten

Dann folgen Tiere und Einzelfiguren, so z. B. Räuchermänner als Waldfiguren oder Handwerker. Oft reflektieren die Schnitzschüler die Berufe der Eltern.

 

Aber auch ihre eigenen Hobbys und Vorlieben fließen ein und werden von den Schnitzlehrern aufgenommen. Die Gedanken werden zu Papier gebracht und überlegt, wie die Idee Gestalt annehmen kann. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte ist so eine umfangreiche

 

Themenvielfalt mit erzählendem Charakter entstanden, die den Alltag, den Bergbau, das Brauchtum, das Märchen, die Tier- und Pflanzenwelt wiedergibt. Oft sind es die familiäre und schulische Vermittlung der Ortsgeschichte und die gelebten Traditionen, die manch einen Schüler veranlassen, einen Bergmann als Lichtträger oder Räuchermann zu schnitzen. Die Vermittlung, wie man mit Farbe umgeht, sparsam oder intensiv ist ein weites Feld, welches jeder Schnitzlehrer für sich und seine Schnitzschüler interpretiert.

 

Sie werden mit der Erfahrung und dem Blick der Schnitzlehrer an den Einsatz der Farbe herangeführt. 1994 lobte der Erzgebirgsverein e. V. einen alljährlich stattfindenden Wettbewerb, die „Erzgebirgischen Jugendkulturtage“, aus. Insbesondere dient er der Nachwuchsförderung in den Bereichen Mundart, Gesang, Instrumentalmusik und dem Erhalt der traditionsreichen Volkskunst, dem Schnitzen, Klöppeln, Drechseln und Basteln mit Naturmaterialien. Gemeinsam mit der Schnitzschule „Paul Schneider“ in Annaberg-Buchholz und der vereinsgetragenen Ausbildung von Schnitzschülern bestimmt die „Klöppel- und Schnitzschule der Bergstadt Schneeberg“ das Niveau der Kinder- und Jugendschnitzarbeiten im Erzgebirge mit. 23 Mal nahmen die Schneeberger Schnitzschüler an den Jugendkulturtagen teil und konnten zahlreiche Preise gewinnen. Dem gemeinsamen Wirken von Schnitzverein, den Schnitzlehrern Walter und Friedhelm Pflugbeil und dem Streben der Schnitzschüler sind die Erfolge zu verdanken. Ehemalige Schnitzschüler erhielten ihre Ausbildung an der Staatlichen Berufsfachschule für Holzbildhauer in Empfertshausen an der Rhön und in der PGH „Schneeberger Volkskunst“. Sie arbeiten heute zum Teil als freischaffende Holzbildhauer. Christoph Roßner studierte an der Angewandten Kunst Schneeberg und erhielt den Abschluss als Diplom-Designer für Holzgestaltung. Nico Jendrusch und Patrick Niesel entschieden sich für die Staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim an der Rhön. Diese Schule bietet neben einer soliden handwerklichen auch eine künstlerisch orientierte Unterweisung. Die große Nachfrage an der Ausbildung und die aktive Einbindung der Holzbildhauer in die Gestaltung des öffentlichen Raumes zeigt das hohe Niveau dieser Ausbildungsstätte. Ein geplanter Erweiterungsbau soll diese Entwicklung befördern und der Holz-bildhauerkunst in Deutschland zukunfts-fähige Grundlagen geben. Nico Jendrusch erlangte den Holzbildhauer-meister in Empfertshausen an der Röhn. Patrick Niesel entschied sich für ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und arbeitet heute als Bildhauer in Nürnberg.